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Mister Sektorkopplung

Das HeizungsJournal im Gespräch mit Peter Kellendonk, EEBus Initiative e.V.

Vier bunte Puzzleteile auf einem Tisch.
Quelle: rawpixel / https://pixabay.com
Peter Kellendonks Motivation ist es, dem höchst-komplexen Thema "Kopplung der Energiesektoren Wärme, Strom und Mobilität" ein Gesicht zu geben – und eine Sprache noch dazu.

Der Energiemarkt befindet sich in einem rasanten Wandel und wird durch die zunehmende Vernetzung deutlich komplexer. Übergreifende Standards helfen, die steigende Komplexität zu beherrschen. Woher aber sollen diese ganzheitlichen, intelligenten Strukturen denn kommen? Eine Antwort hat die Redaktion des HeizungsJournals bei einem Gespräch mit Peter Kellendonk gefunden. Denn er muss es – als Vordenker und Praktiker der Sektorkopplung – wissen.

Kluge Leute diskutieren über Ideen und Visionen – durchschnittliche Menschen sprechen über Geschehenes – und nur Dummköpfe unterhalten sich über Personen.

So lautet – ganz frei aus dem Amerikanischen übersetzt – ein bekanntes Zitat, welches der "First Lady" Anna Eleanor Roosevelt (1884 bis 1962) zugeordnet wird. Natürlich ist Ihre Frage nun berechtigt, was Amerika mit dem deutschen bzw. europäischen Heizungsmarkt im Speziellen zu tun hat (nämlich nicht sehr viel). Aber hier soll es ja auch – zunächst – nicht um Politisches gehen, sondern vielmehr soll mit diesem cleveren Leitmotiv eine gedankliche Brücke gebaut werden zu einem Menschen, der in der Heizungsbranche, in der Gebäude- und Energietechnik und darüber hinaus seit Jahren sehr aktiv "Ideen und Visionen" diskutiert.

Wobei "diskutieren" ein bisschen zu kurz gesprungen ist. Denn Peter Kellendonk spricht nicht nur über (seine) "Ideen und Visionen", sondern kreiert vielmehr anwendbare Lösungen in dem noch relativ jungen Markt der vernetzten Energiesysteme. Seine glasklare Motivation ist es, dem höchst-komplexen Thema "Kopplung der Energiesektoren Wärme, Strom und Mobilität" ein Gesicht zu geben – und eine Sprache noch dazu.

Zwei Männer stehen vor Solarmodulen.
Quelle: R.Otter
Die Welt der Energie ist im Wandel. Durch Verbraucher wie (elektrische) Wärmepumpen und E-Fahrzeuge steigt der Strombedarf in einzelnen Gebäuden wie auch im Stromnetz. Daraus ergeben sich ganz neue (Markt-)Chancen. Daraus ergeben sich aber auch sehr komplexe, neue Wirkzusammenhänge. Grund genug für die Redaktion des HeizungsJournals, mit dem "Macher" der EEBus Initiative, Peter Kellendonk (re.), ins Gespräch zu kommen.

"Doktor Esperanto"

Und das macht er aus Leidenschaft: zum einen als geschäftsführender Gesellschafter der KEO GmbH und zum anderen als 1. Vorsitzender des Vorstands der EEBus Initiative e.V., die sich beide zum Ziel gesetzt haben, eine gemeinsame Sprache für die Vernetzung aller Energiesektoren zu entwickeln. EEBus hat so zusammen mit seinen aktuell etwa 70 Mitgliedsfirmen eine offene, herstellerübergreifende Sprache für Energie im Internet of Things (IoT) geschaffen – und mit "Mitgliedern" sind übrigens die führenden Hersteller beispielsweise aus den Bereichen Photovoltaik, Energie, Hausgeräte, Elektroinstallation, "Smart Home" und (logo!) Heizungs- und Klimatechnik gemeint.

In mehreren Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Energiesektoren stimmen sich diese Hersteller darüber ab, in welchen Anwendungsbereichen ("use cases") die Kommunikation ihrer Produkte und Systeme für einen effizienten Umgang mit Energie sinnvoll ist. Der zugehörige EEBus-Standard deckt dabei alle wesentlichen Energiesektoren wie Heizungen, Elektrogeräte, Elektromobilität und deren Ladetechnik ab. Die EEBus-Kommunikation vernetzt diese mit Erzeugungsanlagen im Haus wie auch mit dem intelligenten Stromnetz. Der Standard mit seinen Spezifikationen steht über den Verein hinaus auch Nichtmitgliedern frei zur Verfügung.

"Entgegen häufiger Missverständnisse benötigt EEBus für seine Kommunikation keine Busleitung oder eine andere spezielle Verbindungstechnik. Die Vernetzung erfolgt über das verbreitete IP-Netzwerk (Ethernetkabel oder WLAN). Ein DSL- und WLAN-Router genügt also, um das Energienetzwerk im Haus aufzubauen. Die Geräte kommunizieren auf dieser Ebene ohne weitere Programmierung miteinander – per »plug and play«", so Peter Kellendonk im Gespräch mit dem HeizungsJournal. "Zusammen mit der Einführung intelligenter Stromzähler, der sogenannten »Smart Meter«, erweitert sich auch der Wirkungskreis der EEBus-Kommunikation. Künftig können Heizungsanlagen, E-Auto-Ladestationen und Hausgeräte, die per EEBus vernetzt sind, ihren Strombedarf auch als flexible Lasten im Netz bereitstellen. So kann etwa eine (elektrische) Wärmepumpe künftig ihren Warmwasserspeicher dann günstig aufheizen, wenn überschüssiger Strom besonders günstig im Netz angeboten wird", ergänzt er.

Quelle: Theben
Über einen "Smart Meter" bzw. ein intelligentes Messsystem (iMSys) mit EEBus-Kommunikationsmodul, wie das Theben-"Conexa 3.0", kann ein Energiemanager flexible Verbraucher im Haus in das Verteilnetz kommunizieren, um die Netzstabilität zu optimieren.

Macht euch bereit!

So weit, so gut. Aber doch vor allem die letztgenannte These hört der geneigte Heizungsfachmann schon seit langer, langer Zeit. Und – was noch schlimmer ist: der eine oder andere "Praktiker" hegt an diesem Mantra rund ums "Smart Grid" mittlerweile echte Zweifel… was man ihm, im Grunde, nicht übel nehmen kann. Denn er ist es doch, der im direkten Kontakt zum Endkunden und Letztverbraucher steht. Blamieren will man sich da ja nicht unbedingt…

Was sagt nun Peter Kellendonk zu diesem ("desillusionierten" aber entscheidenden) Personenkreis, wenn es darum gehen soll, abertausende Wärmepumpenheizungen in Deutschland zu installieren. Wir erinnern uns: Diverse Forschergruppen gehen von rund vier bis acht Millionen verbauten Wärmepumpen bis zum Jahr 2030 und von rund acht bis 17 Millionen verbauten Wärmepumpen bis zum Jahr 2050 aus – wohlgemerkt: in Deutschland. Zum Vergleich: Stand heute verrichten rund eine Million Wärmepumpen (Statistik zu zentralen Wärmeerzeugern im Bestand) ihren Dienst in deutschen Heizungskellern.

"Der Wind dreht!", gibt Kellendonk kurz und knapp zu bedenken. Der Wind drehe in die Richtung, dass der Handlungsdruck nicht nur auf die "politischen Player" zunehme, sondern sich viele Bestrebungen (u.a. der herstellenden Industrie und der übergeordneten Verbände) mittlerweile auf ganz praktischem Niveau bewegen würden. "Ganz praktisch" macht "Mister Sektorkopplung" gleich zwei aktuelle Beispiele, die auch auf internationaler Ebene aufhorchen lassen: So hätten die EEBus Initiative und das Industrieforum VHPready e.V. (VHP = Virtual Heat and Power) Ende November 2018 ihre Zusammenarbeit verkündet. Mit den Vernetzungslösungen von EEBus und VHPready könnten dezentrale Energieerzeuger ihre Kapazitäten mit flexiblen Verbrauchern, wie etwa Heizungsanlagen oder Elektroautos, und mit dem Stromnetz direkt koordinieren.

Die von der EEBus Initiative entwickelten Spezifikationen regeln dabei die Kommunikation zwischen Erzeugungsanlagen, Verbrauchern und Speichern innerhalb von Gebäuden und am Übergabepunkt ins Verteilnetz. Der VHPready-Standard definiert die Integration dezentraler Erzeugungsanlagen, Speicher und Verbraucher in ein virtuelles Kraftwerk auf Übertragungsnetz-Ebene für Monitoring und Steuerung.

"Durch die Kooperation schaffen wir ein breites, branchenübergreifendes Netzwerk starker Unternehmen, das die gesamte Kette von PV-Anlagen und BHKW über E-Auto-Ladestationen und Wärmepumpen bis zu virtuellen Kraftwerken im »Smart Grid« abdeckt. Damit können wir die Vernetzung zwischen dem intelligenten Stromnetz und dem »Smart Home & Building« auf allen Ebenen beschreiben und standardisieren", unterstreicht Peter Kellendonk die Bedeutung dieses Schulterschlusses und fügt hinzu: "Über die Grenzen von Ländern und Branchen hinweg lässt sich auf diese Weise die variable regenerative Energieerzeugung mit flexiblen Verbrauchern koordinieren. VHPready ergänzt unsere EEBus-Spezifikationen dabei ideal im Bereich der dezentralen Erzeugung und der Verbindung ins »Smart Grid«." Des Weiteren bündele diese frisch geschmiedete Allianz mit den EEBus-Mitgliedern EnBW, E.ON und Innogy sowie dem VHPready-Initiator Vattenfall "ganz praktisch" große, essentielle Partner für die Energiewende.

Dienstag, 04.06.2019

Von Jörg Gamperling
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