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Energieverwendung in Nichtwohngebäuden - Teil 2

Das HeizungsJournal stellt in dieser Serie Projekte vor, die unterschiedliche Technologien erfolgreich miteinander kombinieren.

Nachfolgend präsentieren wir drei weitere aktuelle Projekte für innovatives Heizen und Kühlen (hier geht es zum ersten Teil): Sie reichen von einem Wohnquartier in Oberbayern über das neue Kongresszentrum der Landeshauptstadt Wiesbaden bis hin zu einer solarversorgten Gasdruckregelstation in Nordhessen.

Grafik der
Quelle: CitrinSolar GmbH/CS Wohnbau UG + Co. KG
Die "Sonnensiedlung" im oberbayrischen Moosburg an der Isar besteht aus zwei Mehrfamilienhäusern (im Vordergrund), sechs Doppelhäusern (anschließend und hinten) sowie 16 Reihenhäusern (dazwischen). (Grafik: )

Mit dem Projekt "Sonnensiedlung" setzt der Solaranlagenhersteller CitrinSolar GmbH aus dem oberbayrischen Moosburg an der Isar ein innovatives Quartierskonzept zur Wärme- und Stromversorgung mitsamt einem Mobilitätskonzept um: Dieses errichtet man direkt neben dem Firmensitz über den Bauträger, die Tochterfirma CS Wohnbau UG + Co. KG, und will dabei auch Elemente der Sektorenkopplung einbeziehen.

Für das nachhaltige Wohnquartier mit "Sonnenhäusern" steht eine rund ein Hektar große Fläche im Norden der Stadt zur Verfügung. Darauf entstehen 34 Wohneinheiten mit Wohnflächen zwischen 52 und 164 m2, aufgeteilt auf sechs Doppelhäuser, 16 Reihenhäuser und zwölf Eigentumswohnungen in zwei Mehrfamilienhäusern.

Wärme vom Nachbargrundstück

Großer Wert wurde auf eine hohe Wärmedämmung gelegt. So erfüllen die Reihen- und Doppelhäuser den KfW-55-Standard und die Mehrfamilienhäuser den Effizienzhaus-Standard KfW-40 plus. Mit dafür verantwortlich ist, dass die tragenden Wände aus Ziegeln mit Holzfaserfüllung gemauert werden. Die beiden Mehrfamilienhäuser werden zudem mit Wohnraumlüftung und Wärmerückgewinnung ausgestattet.

Die Wärme bezieht das Areal von einem bestehenden Hackschnitzel-Heizwerk auf dem Firmengelände von CitrinSolar sowie von einer dortigen Solarthermieanlage. Das Hackschnitzel-Heizwerk hat eine thermische Leistung von 600 kW und soll jährlich etwa 1.000.000 kWh Wärme an das Wohnquartier liefern. Außerdem wird es wie bisher auch das Firmengelände versorgen, dann noch zu 70 Prozent.

Die auf einer CitrinSolar-Halle existierende Solarthermieanlage mit 210 m² wird auf 500 m² erweitert. Dann könne mindestens 40 Prozent des Wärmebedarfs der Neubauten mit der Sonnenwärme gedeckt werden, so die Planer. Zur Wärmeverteilung dient ein Mikro-Nahwärmenetz mit einer Länge von 650 m, das über einen Speicher mit 17 m3 und 25 dezentrale Speicher mit je ca. 800 l gepuffert wird. Das Nahwärmenetz wird primär von der Wärme der Solarthermieanlage versorgt, der weitere Wärmebedarf wird aus der Biomasseanlage bezogen. Über die Nahwärmeübergabespeicher, eine Besonderheit von CitrinSolar, wird dann die Wärme für die Heizung und Warmwasserbereitung bereitgestellt. Diese voll regenerative Versorgung biete den Bewohnern die Vorteile einer "Unabhängigkeit von Preissteigerungen fossiler Brennstoffe sowie langfristig günstige Wärmepreise".

Auch die Dächer der neuen Wohnsiedlung werden sinnvoll genutzt: Die nach Süden ausgerichteten Seiten werden mit Photovoltaikanlagen (PV) bestückt. Insgesamt stehen PV-Flächen von 680 m2 mit einer Leistung von 104 kWp zur Verfügung, die jährlich rund 120 MWh elektrische Energie erzeugen sollen.

Um einen möglichst hohen Anteil des Sonnenstroms selbst zu verbrauchen, erhält jedes Gebäude einen Akkuspeicher mit einer Speicherkapazität von 5,5 kWh. Bevor Stromüberschüsse ins öffentliche Netz abgegeben werden, soll auch der Mobilitätsbedarf innerhalb der Siedlung aus eigenen Reserven gedeckt werden: Hierzu können alle Häuser mit Ladestationen ausgerüstet werden. Es soll ein gemeinsames E-Carsharing mit zwei Fahrzeugen sowie ein gemeinsames E-Lastenfahrrad geben. Außerdem wird eine quartierseigene E-Schnellladestation mit 22 kW Leistung installiert.

Für CitrinSolar lag es nahe, die Wärmeüberschüsse auf dem Firmengelände künftig an die Nachbarn abzugeben: "Die Basis für den Wohnungsbau der Zukunft sehen wir in einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung bei geringen Nebenkosten", so Hanns Koller, einer der beiden CitrinSolar-Geschäftsführer, der auch für den Bauträger verantwortlich ist. Man habe dabei großen Wert darauf gelegt, "dass die komplette energetische Planung aus einer Hand kommt".

CitrinSolar verstehe sich dabei gleichermaßen als Hersteller und Dienstleister für das Gesamtkonzept einer energieeffizienten Kopplung der Bereiche Wärme, Strom und Mobilität. Auch wenn die Spanne der möglichen Einsparungen recht breit angegeben wird, wirbt der Projektentwickler mit möglichen Einsparpotentialen pro Wohneinheit von insgesamt 25.000 bis 86.000 Euro über 20 Jahre, bezogen auf die Sektoren Wärme und Strom.

Inzwischen sind schon mehrere Stadtwerke auf das Konzept aufmerksam geworden und realisieren mit CitrinSolar ähnliche Quartiere in anderen Städten. Auch das Projekt in Moosburg schreitet mit großen Schritten voran: Derzeit befindet sich der erste Bauabschnitt in der Realisierung und soll 2019 fertiggestellt werden, der Rest bis 2020 folgen.

Kongresszentrum setzt auf Thermalwärme

Das RheinMain CongressCenter von außen.
Quelle: RMCC, Peter Krausgrill/Stadtleben
Als einer der modernsten Veranstaltungsorte weltweit besitzt das neu eröffnete RheinMain CongressCenter (RMCC) in Wiesbaden ein innovatives Heiz- und Kühlkonzept, das auch Thermalwasser nutzt.

Begeben wir uns für ein weiteres Projekt in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden: Im Frühjahr 2018 ging dort einer der modernsten Veranstaltungsorte weltweit in Betrieb, das RheinMain CongressCenter (RMCC). Zuvor waren die dortigen und in die Jahre gekommenen Rhein-Main-Hallen abgerissen und Platz für den Neubau geschaffen worden. Das RMCC bietet nun Kapazitäten für Veranstaltungen mit bis zu 12.500 Personen. Dafür stehen 45 Veranstaltungsräume zur Verfügung. Die größten davon sind die "Halle Nord" mit 4.600 m2 sowie die "Halle Süd" mit 3.000 m2 Fläche. Damit ist man schon vom Flächenangebot her bestens gerüstet, wenn künftig internationale Stars auftreten, aber auch wenn Kongresse und Messen abgehalten werden.

Der Wettbewerb unter den Kongressstandorten ist hart, daher setzen immer mehr Hallenvermieter auf das Thema Nachhaltigkeit. In Wiesbaden punktet das RMCC mit einem innovativen Beheizungs- und Kühlkonzept, das bereits von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. mit dem Zertifikat in Platin ausgezeichnet wurde.

Da der Gebäudekomplex inmitten der Wiesbadener Innenstadt, zehn Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt, einen ganzjährig hohen Energiebedarf hat, konzipierte der für die Energieplanung beauftragte Wiesbadener Energiedienstleister ESWE Versorgungs AG ein mehrstufiges Versorgungskonzept: Die Grundlast an Wärme und Kälte wird durch eine Wärmepumpe gedeckt, während die gerade im Winter entstehenden Spitzen durch die Fernwärme aus einem Biomasse-Heizkraftwerk außerhalb der Innenstadt gedeckt werden.

"Der Herausforderung, im neuen Wiesbadener Veranstaltungszentrum höchste Energieeffizienz zu gewährleisten, haben wir uns gerne und mit großem Enthusiasmus gestellt", so Ralf Schodlok, der ESWE-Vorstandsvorsitzende. Dabei bezog man auch lokale Ressourcen ein, die nicht überall verfügbar sind.

In Wiesbaden werden mindestens seit der Römerzeit heiße Quellen genutzt, deren Thermalwasser an mehreren Stellen im Zentrum zutage treten. Da der Bauplatz an einem Hauptstrang der Kanalisation liegt, der neben dem Abwasser auch einen Teil dieses warmen Thermalwassers zur Hauptkläranlage befördert, lag es nahe, in die Sohle der Abwasserleitung Wärmeübertrager zu installieren. Der Wärmeübertrager, Typ "Therm-Liner", wurde vom Unternehmen Uhrig aus dem baden-württembergischen Geisingen geliefert und bietet eine Leistung von max. 340 kW.

Er wurde auf einer Länge von 103 Metern in den Abwasserkanal eingebaut und kann dem Abwasser im Jahr schätzungsweise 2.900 MWh Wärme entziehen. Für den Einbau musste der Kanal nur punktuell geöffnet werden, wodurch diese Arbeiten in nur fünf Tagen zu erledigen waren. Genutzt wird die Wärme aus dem Kanal für eine Wärmepumpe von Combitherm, Typ "HGW 24 R 134a", mit einer Heizleistung von 300 kW und einer Kühlleistung von 270 kW. Beim gleichzeitigen Heizen und Kühlen, also im Dualbetrieb, arbeitet die Anlage mit einer Leistungszahl von 7,4. Die 3,5 Tonnen schwere Wärmepumpe misst 300 cm in der Länge, 120 cm in der Breite und 200 cm in der Höhe.

Ein Abwasserkanal.
Quelle: ESWE Versorgungs AG
Der Wärmeübertrager für das RheinMain CongressCentrum in Wiesbaden wurde auf einer Länge von 103 Metern in den Abwasserkanal eingebaut und besitzt eine Leistung von max. 340 kW.

Die elektrische Energie für das RMCC stammt teils von einer auf dem Hallendach Nord montierten Photovoltaikanlage mit einer Modulfläche von 1.250 m2. Die 768 Module mit einer installierten Leistung von 199,68 kWp sollen jährlich ca. 180 MWh Strom erzeugen. "Die PV-Anlage wurde von der Anlagengröße her so geplant, dass möglichst der gesamte Solarstrom im RMCC direkt verbraucht werden kann", heißt es bei der ESWE Versorgungs AG.

Da in Veranstaltungshallen dieser Größenordnung meistens auch ein hoher Kühlbedarf besteht, dient die Wärmepumpe im Bedarfsfall auch der Kältebereitstellung. Als Ausfalltechnik stehen dafür Kompressions-Kältemaschinen bereit. Gesteuert wird die Wärmepumpe über die Gebäudeleittechnik, die gegebenenfalls auf die Ausweichanlagen oder die Fernwärme umschaltet. Der Wärmepumpenbetrieb hat in der Abfolge der Energieversorgung stets Priorität.

Der Warmwasserbedarf im RMCC wird zwar primär über die Fernwärme gedeckt. Allerdings kann auch die Wärmepumpe hinzugeschaltet werden, sobald die Vorlauftemperatur des Wärmepumpenkreises höher ist als die Rücklauftemperatur des Warmwasserheizkreises. Dann wird auch die Wärmepumpe zur Rücklauftemperaturanhebung genutzt. Die Verantwortlichen sind in den ersten Betriebsmonaten mit dem Heiz- und Kühlsystem des Rhein-Main CongressCenters zufrieden: "Die Ideen waren ambitioniert. Aber es zeigt sich, dass das Konzept dank der gemeinsamen Anstrengungen erfolgversprechend ist."

Mittwoch, 20.03.2019

Von Martin Frey
Fachjournalist
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