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BIPV: Ein Kürzel muss sich noch bewähren

Modulfassade als Energiehülle

Die EE-Modulfassade eignet sich vor allem für Büro- und Verwaltungsgebäude und für Schulen, die in Skelettbau-weise errichtet wurden – eine Bauweise, die in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren vorherrschte. Anstelle von tragenden Wänden halten Stahlbetonstützen die Geschossdecken. Bei der Sanierung nehmen die Bauleute die alten Fassadenelemente ab und hängen die geschosshohen TGA-Module ein. Eine einzelne Technikeinheit misst 1,25 m in der Breite und 30 cm in der Tiefe. Jede Einheit kann einen ca. 24 m² großen Raum versorgen.

Die eingebaute PV-Anlage erzeugt die Energie und versorgt die Anlagenkomponenten wie etwa die Wärmepumpe. Die fungiert als Wärme- und Kälteerzeuger. Über einen im Luftspalt hinter dem PV-Element montierten Ventilatorkonvektor entzieht sie der aufsteigenden Thermik Wärme, heizt nach und gibt sie an den Raum hinter dem Modul ab. Muss sie kühlen, kehrt sich der Kreislauf um. Eine integrierte dezentrale Lüftungstechnik regelt den Luftwechsel und die Wärmerückgewinnung. Die gezielte Verschaltung von Luftklappen erfordert nur einen einzigen Ventilator. Dadurch minimiert sich der Stromverbrauch. Das von der LTG stammende Lüftungsgerät wechselt dabei zyklisch zwischen Zu- und Abluftbetrieb und atmet damit quasi. Darüber hinaus sorgen Vakuumdämmelemente für den Wärmeschutz.

Das Bild zeigt die EE-Modulfassade.
Quelle: Frauenhofer
EE-Modulfassade an der Südfrontdes Fraunhofer-VERU-Gebäudes im bayerischen Holzkirchen.

Enormes Potential

In Skelettbauweise entstanden etwa 25 bis 30 Prozent aller Bürogebäude in den 1950er bis 1990er-Jahren. Laut Fraunhofer beläuft sich deren Energieeinsatz auf jährlich rund 3.200 Gigawattstunden. (GWh). Sie seien das Potential für die EE-Modulfassade. Die Konstrukteure gehen davon aus, dass sich bei konsequenter Anwendung der BIPV-Methode der Verbrauch auf 600 GWh senken lässt. Auch die geringe Sanierungsquote von einem Prozent pro Jahr ließe sich durch den hohen Vorfertigungsgrad steigern.

Derzeit testen die Projektpartner den Demonstrator der EE-Modulfassade an der Südfront des Fraunhofer-VERU-Gebäudes im bayerischen Holzkirchen (VERU = Versuchseinrichtung für Energetische und Raumklimatische Untersuchungen). Zeitabhängig geregelte interne Wärme- und Feuchtequellen ersetzen die Nutzer. Das Zusammenspiel aller Komponenten funktioniert laut Fraunhofer bereits sehr gut, einzelne Bauteile müssten aktuell noch optimiert werden.

Als ein Erfahrungsschatz für diese Optimierung bieten sich verschiedene handgestrickte BIPV-Modelle in Deutsch-land an. Neu ist das Verfahren nicht. Nur haperte es bisher an der seriellen Umsetzung.

Ein spektakuläres Beispiel ging vor gut drei Jahren durch die Fachmedien. Damals stellten in Bad Hersfeld private Finanziers die multifunktionale Solarfassade an einem ehemaligen Schwesternheim des örtlichen Klinikums vor. Hans-Peter Sunkel und sein Bruder hatten 2015 das Gebäude gekauft mit der Absicht, es innovativ in Etappen zu sanieren. Der 1972 gebaute Plattenbau umfasst auf gut 2.000 m2 Wohnfläche 89 Wohnungen, die Mehrheit davon 1-Zimmer-Einheiten mit Bad. Ziel der energetischen Nachrüstung war und ist der Niedrigenergierespektive Passiv-haus-Standard.

Das Bild zeigt das Sunkel-Objekt Bad Hersfeld.
Sunkel-Objekt Bad Hersfeld: Hans-Peter Sunkelund sein Bruder hatten 2015 das Gebäude gekauft mit der Absicht, es innovativ zu sanieren, es umfasst auf gut 2.000 m2Wohnfläche 89 Wohnungen.

Beispiel Schwesternheim

Die marode Bausubstanz verzögerte jedoch den Beginn der Umbaumaßnahmen. Als Probleme erwiesen sich die Berechnung der Statik sowie, damit verbunden, das Anbringen der Photovoltaik-Module mit Dübeln. Es war keine übliche Maßnahme. Nach Aussage der Bauherren wollte kein Unternehmen die Verantwortung dafür übernehmen.

Die Gebäudehülle sollte auf den vorhandenen Waschbetonplatten mit darunter liegenden fünf Zentimeter Polystyrolplatten zusätzlich 16 Zentimeter Mineralwolle nebst Fixierung aufnehmen. Schließlich klappte es dann doch. Zur Realisierung des Passivhaus-Standards entschieden sich die Eigentümer des Weiteren für dreifach verglaste Fenster und Türen, Wärmepumpen, Wärmerückgewinnung sowie für PV-Paneele an drei Seiten und auf dem Dach mit einer Gesamtleistung von rund 240 kWp.

Als Besonderheit – Stichworte BIPV und Solar – hängten die Investoren vor die Außenwände im Abstand von 10 cm hinterlüftete multifunktionale Siliziumpaneele.

Multifunktional: Die monokristalline Struktur lässt Licht durch, verschattet aber auch gleichzeitig, bietet Wetterschutz, generiert Strom – und Wärme. Nämlich dadurch, dass die aufsteigende Thermik in dem solarerwärmten Spalt zwischen Wand und Kollektor zu drei Luft/-Wasser-Wärmepumpen im Dachboden mit einer regelbaren Heizleistung bis 20 kW strömt. Die temperieren das Heizungswasser sowie das Brauchwasser via Kombi-Hygienespeicher – jene mit dem Puffer plus den Wendeln als Durchlauferhitzer. Zur Solarthermie addiert sich die Abwärme der Wohnungen. Die entweicht über Abluftschächte aus den Wohnungen ebenfalls in Richtung Wärmepumpen. Im Winter übernimmt ein Brennwertkessel im Keller mit 86 kW die Spitzenlastabdeckung.

Dienstag, 09.08.2022

Galerie

  • Verschattende BIPV-Elemente am Stühlinger Rathaus in Freiburg. Multifunktional: lässt Licht durch, verschattet gleichzeitig, bietet Wetterschutz, generiert Strom – und Wärme.
  • Versuchs- und Messeinrichtung in Holzkirchen. Das Zusammenspiel aller Komponenten funktioniert laut Fraunhofer bereits sehr gut.
  • IPV-Modul am VERU-Gebäude. Die Konstrukteure gehen davon aus, dass sich bei konsequenter Anwendung der BIPV-Methode der Verbrauch auf 600 GWh senken lässt.
  • EE-Modulfassade an der Südfrontdes Fraunhofer-VERU-Gebäudes im bayerischen Holzkirchen.
  • Sunkel-Objekt Bad Hersfeld: Hans-Peter Sunkelund sein Bruder hatten 2015 das Gebäude gekauft mit der Absicht, es innovativ zu sanieren, es umfasst auf gut 2.000 m2Wohnfläche 89 Wohnungen.
Von Bernd Genath
Düsseldorf
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